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Übersicht - Reiseziele - Asien - Indien - Südindien

David Abram, Nick Edwards, Mike Ford
Stefan Loose Travel Handbuch
Indien, Der Süden


Ein Hauch von duftendem Kardamom ...

Die Grenzen Südindiens sind zwar nicht festgelegt, unbestritten ist aber, dass die spitz zulaufende tropische Hälfte der riesigen Halbinsel sich deutlich vom landumschlossenen Norden unterscheidet. Wird man nach einem Winterflug vom nebligen Delhi in die Treibhaushitze von Chennai (Madras) oder Thiruvananthapuram (Trivandrum) entlassen, eröffnet sich eine Welt, die von den gedämpften Farben des Punjab und der großen indischen Flusstäler weit entfernt ist. Im Süden scheinen die Palmenhaine grüner und die Reisfelder leuchten geradezu, die Gesichter sind brauner und die darauf gemalten Kastenzeichen außergewöhnlich rot. Die schweren Regenfälle der Kegion lassen auf den sonnengebleichten vulkanischen Böden außer in den heißesten Monaten das ganze Jahr über üppige Weizenfelder und Palmenplantagen gedeihen. Die Farben Südindiens - von Seidensaris, schimmernden Tanzkostümen, politischen Werbeplakaten am Straßenrand und Jasminblüten - strahlen mit der Sonne um die Wette.

Die drei größten Flüsse Südindiens - der Godavari, der Krishna und der Kaveri - und ihre unzähligen Nebenflüsse fließen über eine flache, fruchtbare Schwemmlandebene, die seit frühester Zeit bewohnt war. Von den prähistorischen Industalkulturen des Nordwestens durch kahle Hügelketten getrennt, haben sich die frühesten südindischen Gesellschaften vermutlich unabhängig von ihren nördlichen Nachbarn entwickelt. Zeitweilige Invasionen - von marodierenden Muslimen bis zu das Evangelium verkündenden, nach Pfeffer hungernden Portugiesen und den erfolglosen Franzosen - hinterließen ihre Spuren in dem Gebiet, das in einigen der ältesten Inschriften Indiens "Dravidadesa", "Land der Draviden", genannt wird. Jedoch hat niemand, nicht einmal die rücksichtslos effizienten Briten, den Süden jemals vollständig unterwerfen können. So haben hier Traditionen, Sprachen und Lebensweisen seit mehr als 2000 Jahren überlebt - eine Tatsache, die der Reise in die Region eine einzigartige Note verleiht.

Das Fortbestehen einer eigenen dravidischen Kultur erklärt zum Teil den Regionalismus, der das politische und kulturelle Leben des Südens seit der Unabhängigkeit 1947 zunehmend beherrscht. Mit Ausnahme der ehemaligen portugiesischen Kolonie Goa und der Andamanen und Nikobaren wurden die Grenzen der in diesem Buch behandelten Bundesstaaten - Karnataka, Kerala, Tamil Nadu und Andhra Pradesh - nach Sprachregionen gezogen. Jeder taat weist eigene Musik-, Tanz-, Architekturstile und Küchen auf, von den religiösen Bräuchen und der Kleidung ganz zu schweigen. Versuche von New Delhi, das Land durch die allgemeine Einführung des Hindi, der am weitesten verbreiteten Sprache des Nordens, als Regierungs- und Bildungssprache zu einen, sind stets auf Widerstand gestoßen und haben den Regionalparteien, deren Anführer allerorts von riesigen Reklame tafeln strahlen, regen Zulauf beschert.

Noch stärker als der Einfluss der Politik ist in Südindien aber die Macht der Religion. Sie durchdringt - der säkularen Verfassung des Landes zum Trotz - immer noch jeden Aspekt des Lebens. Die vorherrschende Religion ist der Hinduismus, der von etwa 80% der Bevölkerung praktiziert wird. Wenn die heiligen Gipfel des Himalaya den Kopt des Hinduismus darstellen und der Ganges seine Hauptschlagader, dann sind die Tempelkomplexe des Südens sein spirituelles Herz und seine Seele. Ihre jede Skyline überragenden, riesigen Türme sind ein Ausdruck der Ehrfurcht, die den in ihnen aufbewahrten Gottheiten über die Jahrhunderte hinweg entgegengebracht wurde. Einige, wie der Subramanya-Tempel in Tiruchendur in Tamil Nadu, gelten als so alt wie die menschliche Sprache selbst; andere, wie der Waldtempel von Sabarimala in Kerala sind weniger alt, ziehen aber mehr Pilger an als Mekka. In den Augen der meisten ausländischen Besucher am faszinierendsten sind jedoch die enormen Chola-Heiligtümer von Tamil Nadu. Schließt man sich den Menschenströmen au, die Madurais Meenakshi-Sundareshwar-Tempel oder den Shri Ramahngeshwara in Rameshwaram besuchen, gelangt man zu den Ursprüngen der letzten überlebenden klassischen Kultur der Well, deren Hymnen, Gebete und Riten teilweise älter sind als die ägyptischen Pyramiden.

Im Vergleich dazu ist der Islam, unter den Religionen Südindiens an zweiter Stelle, ein sehr junger Glaube, der zuerst im 12. Jh. von arabischen Händlern an der Küste eingeführt wurde. Später bauten Seitenlinien der islamischen Dynastien, die den Norden regierten, über den Godavari hinaus feudale Königreiche auf und breiteten so die islamische Kultur über den mittleren Dekkan aus. Zu weiteren Bestandteilen des großen südindischen Schmelztiegels gehören etwa ein Dutzend christliche Konfessionen sowie Jains, Anhänger des Propheten Mahavira, eines Zeitgenossen Buddhas, und eine verschwindend geringe Zahl von Juden.

Ungeachtet vereinzelter Kastenunruhen der vergangenen Jahre bleibt Südindien eines der entspanntesten, angenehmsten und am problemlosesten zu bereisenden Reiseziele Asiens. Abgesehen von den abgeschiedensten Gegenden gibt es überall jede Menge Unterkünfte, die sauber und für westliche Maßstäbe billig sind. Frisch zubereitetes, nahrhaftes Essen - vor allem leckerer Fisch - ist fast immer erhältlich. In der Regel klappt es mit dem Transport, auch wenn die bloße Größe und die geografischen Hürden des Südens lange Fahrtzeiten bedeuten können. Das ausgedehnte Schienennetz der Region ist ein Wunderwerk, das zu jeder Tages- und Nachtzeit unzählige Menschen befördert. Und sollte kein Zug in den gewünschten Ort fahren, wird wahrscheinlich ein Bus ans Ziel führen. Zudem erleichtert die weite Verbreitung des Englischen die Verständigung. Südinder sind die gesprächigsten und neugierigsten Mitreisenden, weshalb jede Zuglahrt stets durch Gespräche verkürzt wird, die unweigerlich mit "Coming from?" oder "Your native place?" beginnen.

Wie sehr man eine Reise durch Südindien genießt, wird wahrscheinlich weniger davon abhängen, ob man Glück mit Hotels, Restaurants und Transportmitteln hat, als vielmehr von der eigenen Reaktion auf das Land selbst. Viele erwarten eine Art exotische Reise in die Vergangenheit und sind dann überrascht, eine Konsumkultur anzutreffen, die ebenso materialistisch ist wie anderswo, Der legendären südindischen Fähigkeit, neue Ideen zu assimilieren, ist es jedoch zu verdanken, dass Tradition und Moderne hier Seite an Seite gedeihen. Bei einem Spaziergang durch die Innenstadt von Bangalore kann es passieren, dass man in einem Moment einen Computerprogrammierer streift und im nächsten einen in Safrangelb gehüllten Asketen, während Ochsenkarren und streunendes Vieh sich unter japanische Kleinwagen mischen. Es gibt natürlich den üblichen Reisestress: unendliche Warteschlangen, überfüllte Busse und wenig Privatsphäre. Aber gerade, wenn man einem Nervenzusammenbruch nahe ist, wartet Südindien mit etwas auf, das die Mühe lohnt: dem Anblick eines wilden Elefanten aus einem Zugfenster, einem üppigen vegetarischen Essen, liebevoll auf einem frischen Bananenblatt angerichtet, oder einem Hauch von duftendem Kardamom im Tee nach einer die ganze Nacht dauernden Kathakali-Aufführung.

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DuMont Reiseverlag, 2006, 736 S.
22,95 Euro
Broschiert
ISBN: 978-3-7701-6105-8


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