Mallorcas kleinere feinere Schwester
Pearl Harbor verfügt über den größten Naturhafen der Welt. Aber an zweiter Stelle kommt gleich der Hafen von Menorcas Inselhauptstadt Maó. Der landschaftlich malerisch gelegene Hafenfjord der zweitgrößten Balearen-Insel lockt sogar häufig große Kreuzfahrtschiffe zu der kleineren und auch etwas feineren Schwesterinsel Mallorcas im westlichen Mittelmeer.
Kein Wunder also, dass Menorca schon vor Jahrtausenden Besucher anzog. Doch wer nicht in erkennbar friedlicher Absicht kam, machte schnell die Bekanntschaft der einheimischen Steinschleuderer. Schon in der Bronzezeit empfingen die "Balearii" ungebetene Gäste mit Steinkugelgeschossen, die sie mit unglaublicher Wucht und Treffsicherheit mittels Schleuderriemen auf den Gegner niederprasseln ließen und die sogar hölzernen Schiffen gefährlich wurden. Der karthagische Feldherr Hannibal marschierte im Jahr 218 nicht nur mit Kriegselefanten gegen Rom, sondern setzte auch 2000 Mann der menorquinischen "Fußartillerie" mit großem Erfolg gegen die Römer ein.
Nach Phöniziern, Griechen, Römern, Mauren, Franzosen, Engländern und allerlei Freibeutergesindel kommen heutzutage nur noch friedliche Besucher als Touristen, darunter viele Deutsche. Aber die Deutschen stellen hier nicht die Mehrheit wie auf Mallorca, sondern die Engländer, und die lassen es wesentlich ruhiger angehen und widmen sich gern den Produkten, die während langer britischer Besatzungszeit eingeführt und von den sonst eher selbstbewussten Menorquinern übernommen wurden. Neben Käse aus der Milch schwarzbunter Kühe, der heute zu den meistverkauften spanischen Käsen gehört, ist das vor allem Gin, der zum "Nationalgetränk" Menorcas avancierte. Die Menorquiner erfanden, sozusagen als Gegenleistung, die Majonäse, die von hier aus ihren Siegeszug auf die Tafeln der Welt antrat.
All diesen und noch vielen anderen Besonderheiten der 50 Kilometer langen und 20 Kilometer breiten, dem Tourismus maßvoll erschlossenen Insel spürt der völlig neu mit großer Sorgfalt und erkennbarer Zuneigung der Autoren erarbeitete Reiseführer "Menorca" nach, der bereits die Jahreszahl 2002 trägt. Die landschaftlich besonders reizvolle Insel ist damit erstmals nicht mehr Anhängsel von Mallorca im Baedeker-Imperium. Der Band dürfte nicht nur von Menorca-Fans begrüßt werden, sondern den Steinschleuderern auch neue Freunde zuführen. Die einst kriegerische Angewohnheit haben sie keineswegs aufgegeben - diese betreiben sie jetzt als Sport.
MairDuMont, 2002, 226 S.
12,95 Euro
Broschiert, m. zahlr. farb. Abb., Ktn.-Skizzen u. Pln., Beil.: Karte
ISBN: 978-3-8297-1007-7
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